Der Mona Lisa Schwindel by Dixon Deborah

Der Mona Lisa Schwindel by Dixon Deborah

Autor:Dixon, Deborah
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Die Andere Bibliothek
veröffentlicht: 2013-12-31T16:00:00+00:00


Siebtes Kapitel

»Ich bringe ihn um«, wütete Caillaux, »bei der nächsten Gelegenheit bringe ich dieses Schwein um!« Sein massiger, kahler Schädel war tiefrot angelaufen, und an den Schläfen pochten bedenklich rasch die Zornadern. Caillaux kam vom Mittagessen mit dem Kabinett; man hatte ihn wieder, jetzt zum vierten Mal, zum Finanzminister gemacht.

»Dieser gottverdammte Heuchler lügt wie gedruckt. Er braucht einen Sündenbock, aber ich sage dir, da mache ich nicht mit! Lieber bringe ich ihn um!«

»Das darfst du nicht tun, mein Lieber, das ist verboten.« Henriette stand ausgehfertig in der Tür zum Ankleidezimmer ihres Mannes und hielt den Kopf etwas schief, um mit ihrem ausladenden Hut nicht an den Türrahmen zu stoßen. Seit nun mehr zwei Jahren war sie mit diesem jähzornigen Bullen verheiratet und, weiß Gott, sie hatte es keinen Tag bereut.

»Weißt du, was dieser Kerl gesagt hat?«

Mit einem wütenden Schwung entledigte sich Caillaux des Gehrocks und zog einen seidenen Hausmantel über. Er drehte den Kopf zu seiner Frau. Diese grauen Augen! Grau wie die Loire, der sie entstiegen war, um ihn zu verführen, diese blonde Undine mit der dunklen Stimme, damals auf der Landwirtschaftsausstellung in Orleans. Ein Blick in diese unergründlichen Augen genügte, um seinen Zorn zu besänftigen.

»Verzeih Henriette, aber ich kann diesen impertinenten Schwätzer nicht ertragen. Er ist zu mir so freundlich wie eine Klapperschlange. Stell dir vor, er hat gesagt, auch wenn mir jetzt als Finanzminister zusätzlich die Museen unterstehen, hätte ich noch genügend Zeit, weil ich mich nicht um die Mona Lisa kümmern müsste.«

»Welche Mona Lisa?«

»Leonardos Mona Lisa.«

»Wer ist Leonardo?«

»Meine Liebe, du warst doch schon einmal im Louvre?«

»Aber ja, schon sehr oft. Gerade jetzt will ich mir die neue Wäscheausstellung ansehen.«

Henriette war eine liebe Frau, die noch nie eine Zeitung gelesen hatte. Die Niederungen des Alltags erreichten sie nicht. Vom Beruf ihres Mannes wusste sie nur, dass er für den Haushalt Frankreichs sorgte, und das fand sie hochanständig von ihm. Sie führte keinen literarischen Salon, aber sie konnte Gobelins sticken. Außerdem roch sie sehr angenehm. Caillaux fand ihre Naivität anbetungswürdig.

»Entschuldige, ich wollte dich nicht aufhalten.«

Er verabschiedete sie mit der Andeutung eines Kusses und ging hinüber in sein Arbeitszimmer. Es ärgerte, mehr noch, es kränkte ihn, dass man ihm das Verschwinden der Mona Lisa in die Schuhe schob. Eigentlich war es nur ein kleines Mosaiksteinchen in dem beängstigenden Bild der allgemeinen Kriegshysterie, doch für den Figaro war diese seit Jahrhunderten tote Florentinerin plötzlich eine französische Geisel in der Hand der Deutschen. Wie die Franzosen auf den Elsass-Lothringischen Friedhöfen, die seit 1871 zum Deutschen Reich gehörten. Ihm tönte noch das hohle Pathos in den Ohren, mit dem Poincare am Morgen vor dem Parlament verkündet hatte: »Das Vaterland besteht wie die Menschheit mehr aus den Toten als aus den Lebenden.« Es war schamlos, wie dieser Mann die Vergangenheit missbrauchte, um eine Zukunft zu beschwören, für die ihm gegenwärtig jeder Franc fehlte. Frankreich brauchte keinen Krieg, sondern Investitionen, arbeitendes Kapital, keine alten Bilder. Außerdem war die Welt voller Mona Lisas, es gab mehr als genug Reproduktionen.

Nein, Caillaux war kein Freund der Künste. Er pflegte auch nicht den Umgang mit berühmten Autoren, mit denen sich Poincare gerne brüstete.



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